Grundlagen der personzentrierten und menschlichen Führung mithilfe der drei Basisvariablen von Rogers.
Carl R. Rogers wurde 1902 in Oak Park in den USA geboren und war zunächst Schüler des Freud-Schülers Otto Rank. Er wandte sich jedoch von der Psychoanalyse ab und entwickelte die personenzentrierte Gesprächspsychotherapie. 1961 fasste Carl R. Rogers seine Untersuchungen in dem Buch „On Becoming a Person“ („Entwicklung der Persönlichkeit“) zusammen, in dem er feststellte, dass nur wenige Basisvariablen notwendig sind, damit Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung gelingen:
Die Begegnung von Mensch zu Mensch auf Augenhöhe ist eine der Grundlagen im Personzentrierten Ansatz. Überträgt man den Personzentrierten Ansatz auf die Mitarbeiterführung, ist es notwendig, das Menschenbild, die Persönlichkeit sowie die Beziehung zu einander zugrunde zu legen. So entsteht das Konzept des Person-Centered Leadership, durch das die Mitarbeiter einer Organisation die Fähigkeiten bekommen, Lern- und Arbeitsprozesse selbst zu wählen, zu steuern und ihre Projekte gemeinsam zum Erfolg zu führen.
Carl R. Rogers nennt es in seinem Buch ein „warmes Akzeptieren und schätzen des anderen als eigenständiges Individuum“ (Rogers, Carl R. Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta, 1973., 51). Diese Wertschätzung soll an keine Bedingung gebunden, wertfrei und urteilsfrei sein. Das bedeutet nicht, dass alle Handlungen gebilligt werden, erfordert aber, dass die Führungskraft den Mitarbeiter, trotz seines Verhaltens, als Mensch akzeptiert, wertschätzt und ihn ohne Wertung und Vorurteile annimmt, so wie er in diesem Moment ist.
Die bescheidene und „lethologische“ (Foerster 2002, 305), also bewusst nichtwissende, Haltung der Führungskraft führt dazu, dass der Mitarbeiter Selbstverantwortung und Eigeninitiative übernimmt. Er spürt dadurch, dass nur er selbst am besten weiß, was gut und schlecht in der Situation ist und nur er selbst der Experte, sowohl für das eigene System als auch für alle anderen Systeme, die ihn umgeben, ist. Also die Entscheidungskompetenz bei der Fachkompetenz liegt. Durch das Bewusstwerden der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt der Mitarbeiter selbst Ideen und Lösungen, die für ihn am besten zu seinem Anliegen und dem ausformulierten Ziel passen und somit aus eigener Kraft lösbar sind.
Ratschläge sind in dieser Haltung, kontraproduktiv, denn sie stammen aus dem eigenen System, geschaffen von der Wirklichkeitskonstruktion der Führungskraft. Die akzeptierende Grundhaltung fordert ein großes Maß an Vertrauen in die Möglichkeiten des Anderen und setzt eine hohe Reflexionsfähigkeit von der Führungskraft voraus.
Diese Grundhaltung wirkt auf den Mitarbeitern angstmindernd und bestärkt ihn dabei, an sich selbst zu glauben. „Zur Bildung eines guten Selbstwertgefühls braucht es eine wertschätzende Umgebung, die einem etwas zutraut, unterstützt.“ (Grawe 2021).
Die Beziehung „ich bin ok – du bist ok“, also den Mitarbeiter auf Augenhöhe zu begegnen, hilft auch dabei, dass er sich selbst besser versteht und eine eigene Lösung findet, unabhängig davon, was die Führungskraft erwarten könnte.
Wenn der Mitarbeiter nur unter bestimmten Bedingungen wertgeschätzt wird, kann er keinen Zugang zu sich finden und fühlt sich als Mittel zum Zweck. Wenn die Führungskraft ihn bedingungslos annimmt so wie er ist, fallen all seine Masken. Die Führungskraft ist kein Richter und kein Schönredner, sie begegnet dem Mitarbeiter mit Akzeptanz und gibt ihm das, was er sieht, zurück. Ohne zu ihn als Person zu bewerten und verbiegen zu wollen.
Fragen zur Selbstreflexion:
Die Welt mit den Augen des Mitarbeiters sehen. Die subjektive Wahrnehmung und die Erlebniswelt des Mitarbeiters zu verstehen und sich vollkommen auf ihn einzulassen, verlangt der Führungskraft ein hohes Maß an Selbstreflexion ab. Gemeint ist hier ein einfühlendes Verstehen, das nicht bewertet, nicht direktiv auf den Mitarbeiter eingeht und keine Ratschläge gibt, sondern mit systemischen Fragen arbeitet und so die Selbstwirksamkeit und die Eigenverantwortung der Mitarbeiter fördert. Eine offene und echte zwischenmenschliche Beziehung unterstützt das Wohlbefinden des Mitarbeiters, wodurch er das Gefühl von Sicherheit gewinnt. Dazu gehören auch die Unvollkommenheit des Menschen und die Erfahrung, Fehler machen zu dürfen. Die Wirkung der Empathie wirkt durch mehr Akzeptanz und weniger Entfremdung. Eine Person, die sich gut verstanden fühlt, kann positiv konstruktive Haltungen sich selbst und anderen gegenüber entwickeln.
Eine große Rolle spielen auch Mimik und Gestik, die die Führungskraft unbewusst ausdrückt. Die Stimme ändert sich je nach Gefühlslage, ebenso die Körperhaltung. Die Führungskraft sollte sowohl die eigene als auch die nonverbale Kommunikation des Mitarbeiters beachten.
Fragen zur Selbstreflexion:
Rogers spricht von Kongruenz, wenn eine genaue Entsprechung von Erfahren und Bewusstsein gezeigt wird. Also eine Entsprechung von Erfahrung, Bewusstsein und Kommunikation. Eine 100-prozentige, sichere und akkurate Bewusstheit der Erfahrung zeigt sich in Form von Gefühlen und Wahrnehmungen, Bedeutungszusammenhängen, die nicht als DIE Wahrheit angesehen werden und keine Fakten darstellen. Ein Beispiel ist: “Ich nehme wahr, mein Gegenüber ist in diesem Moment überfordert.” anstelle: “Mein Gegenüber ist überfordert”. Weder die Führungskraft noch ein anderer Mensch besitzt den absoluten Zugang zur Wahrheit und kann daher nur seine eigene Wahrnehmung schildern. Wenn wiederum von Inkongruenz zwischen Erfahrung und Bewusstsein die Rede ist, spricht man in vielen Fällen von einer Abwehrhaltung oder einer Verdrängung aus dem Bewusstsein. Bestünde Inkongruenz zwischen dem Bewusstsein und der Kommunikation, wäre es Täuschung oder Falschheit. Je größer die Kongruenz von Erfahrung, Bewusstsein und Kommunikation bei der Führungskraft ist, desto größer ist die Wechselwirkung in der Beziehung, die zum gegenseitigen Verständnis des Mitgeteilten sowie wechselseitiger Zufriedenheit führt. „…es kommt entscheidend auf die Wahrnehmung des Empfängers in der Kommunikation an.“ (Rogers 1973, 335)
In der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist die Basisvariable der Kongruenz existenziell, da sich die Führungskraft auf einem schmalen Grat bewegt und abwägen muss, wie weit sie gehen soll. „Kann ich es wagen, im vollen Maße kongruent mitzuteilen, was ich empfinde?“ (Rogers 1973, 336)
Die Echtheit/Ehrlichkeit in einer zwischenmenschlichen Beziehung gilt es mit sehr viel Fingerspitzengefühl wohl zu dosieren und vorsichtig in Sprache zu bringen. Die Führungskraft soll dem Mitarbeiter nichts vorenthalten, was sie mitbekommt, ihn aber auch nicht kränken oder bedrängen. Unter Echtheit ist ein echtes Interesse zu verstehen. Die Art und Weise, wie die Führungskraft ihre Ehrlichkeit zeigt, ist entscheidend dafür, ob sich der Mitarbeiter beschämt fühlt oder selbst bewusster wird.
„Man sollte die Wahrheit dem Anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen.“ Max Frisch
Das äußere Verhalten muss der inneren Einstellung entsprechen. Die dritte Basisvariable, die Echtheit, ist der schärfste Part bei Rogers, das einschneidendste Instrument, das wir als Coach und Führungskraft besitzen. Das Ansprechen des Erlebten erfordert allerdings Mut und Erfahrung über das „WIE“.
Das kongruente Verhalten der Führungskraft macht sie einzigartig.
Fragen zur Selbstreflexion:
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