Hier findet ihr die dritte Basisvariable von Rogers – die Echtheit/Kongruenz vom Coach im Coachingsprozess. Ich bin davon überzeugt, dass es auf die innere Haltung im Gespräch ankommt und orientiere mich in der Praxis am personenzentrierten Ansatz von Rogers.
Rogers spricht von Kongruenz, wenn eine genaue Entsprechung von Erfahren und Bewusstsein gezeigt wird. Also eine Entsprechung von Erfahrung, Bewusstsein und Kommunikation. Eine 100-prozentige, sichere und akkurate Bewusstheit der Erfahrung zeigt sich in Form von Gefühlen und Wahrnehmungen, Bedeutungszusammenhängen, die nicht als DIE Wahrheit angesehen werden und keine Fakten darstellen. Ein Beispiel ist: “Ich nehme wahr, mein Gegenüber ist in diesem Moment überfordert.” anstelle: “Mein Gegenüber ist überfordert”.
Weder der Coach noch ein anderer Mensch besitzt den absoluten Zugang zur Wahrheit und kann daher nur seine eigene Wahrnehmung schildern. Wenn wiederum von Inkongruenz zwischen Erfahrung und Bewusstsein die Rede ist, spricht man in vielen Fällen von einer Abwehrhaltung oder einer Verdrängung aus dem Bewusstsein. Bestünde Inkongruenz zwischen dem Bewusstsein und der Kommunikation, wäre es Täuschung oder Falschheit. Je größer die Kongruenz von Erfahrung, Bewusstsein und Kommunikation beim Coach ist, desto größer ist die Wechselwirkung in der Beziehung, die zum gegenseitigen Verständnis des Mitgeteilten sowie wechselseitiger Zufriedenheit führt. „…es kommt entscheidend auf die Wahrnehmung des Empfängers in der Kommunikation an.“ (Rogers 1973, 335)
In der Beziehung zwischen Coach und Coachee ist die Basisvariable der Kongruenz essentiell, da sich der Coach auf einem schmalen Grat bewegt und abwägen muss, wie weit er gehen soll. „Kann ich es wagen, im vollen Maße kongruent mitzuteilen, was ich empfinde?“ (Rogers 1973, 336)
Die Echtheit/Ehrlichkeit in einer Coachingsitzung gilt es mit sehr viel Fingerspitzengefühl wohl zu dosieren und vorsichtig in Sprache zu bringen. Der Coach soll dem Coachee nichts vorenthalten, was er als sein Gegenüber mitbekommt, ihn aber auch nicht kränken oder bedrängen. Unter Echtheit ist ein echtes Interesse zu verstehen, das den Coachee wirklich bewegt. Mit allen Mitteln zeigt der Coach, wie er den Coachee erlebt. Der Coachee versteht sich selbst besser, wenn der Coach ihm gegenüber ehrlich ist. Die Art und Weise, wie der Coach seine Ehrlichkeit zeigt, ist entscheidend dafür, ob sich der Coachee beschämt fühlt oder sich selbst bewusster wird.
„Man sollte die Wahrheit dem Anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hinein-schlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen.“
Max Frisch
Das äußere Verhalten muss der inneren Einstellung entsprechen. Die dritte Basisvariable, die Echtheit, ist der schärfste Part, das einschneidendste Instrument, das wir als Coach besitzen. Echtheit verhindert, dass aus dem Ge-sprächsverhalten des Coaches nur eine reine „Technik“ und „Rolle“ wird. Das Ansprechen des Erlebten erfordert allerdings Mut und Erfahrung über das „WIE“.
Das kongruente Verhalten des Coaches macht ihn einzigartig und stellt den Unterschied zu anderen Coaches heraus. Je nach Coachee sollte sich jeder Coach gut überlegen, wie weit er geht und was der Coachee braucht, um sein Verhalten und seine Gedanken zu verstehen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Es geht darum, dass der Coachee lernt, sich im eigenen Tempo und in kleinen Schritten das eigene Verhalten bewusst zu machen und zu reflektieren.
Fragen zur Selbstreflexion:
Blogbeiträge zu Rogers: