Ich verstehe Selbststeuerung für Menschen als die Fähigkeit, das eigene Verhalten, die Gedanken und Emotionen aktiv zu kontrollieren und zu lenken, um persönliche Ziele zu erreichen oder sich in verschiedenen Lebenssituationen angemessen zu verhalten. Hier finde ich das Zitat von Stephen R. Covey passend:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. “
Schauen wir uns den ersten Satz an. Zu erkennen, dass es einen Raum zwischen Reiz und Reaktion gibt und kein Automatismus herrscht, gibt uns die Möglichkeit zu wählen, wie wir reagieren. Ich bin der Meinung, dass wir durch die Arbeit an uns selbst (Selbstkenntnis, Selbstbewusstsein und Selbstbeobachtung) in der Lage sind, zu unterscheiden, in welcher Situation, welche Reaktion passend und angemessen ist. Wenn wir es schaffen, in heiklen Situationen in die Beobachterrolle zu schlüpfen und die Situation mit Abstand zu betrachten, dann können wir bewusst reagieren und tappen nicht in die Falle, dem ersten Impuls nachzugehen.
Die Macht zur Wahl unserer Reaktion liegt bei uns. Wir handeln dann selbstgesteuert und nicht fremdgesteuert. Wir lassen uns so weniger lenken und manipulieren. Wir wählen, ob wir impulsiv, aggressiv und destruktiv agieren oder klug, gelassen und lösungsorientiert. Ich weiß sehr gut, dass das leichter gesagt als getan ist. Ich arbeite selbst täglich daran, mich und meine Emotionen besser zu verstehen und bei mir zu bleiben. Mich abzugrenzen. Es gelingt mir besser als früher, aber ich habe auch meine schwachen Momente, in denen ich am liebsten vor Wut etwas kaputt machen würde. Dann denke ich wieder daran, was die Situation mit mir selbst zu tun hat und reflektiere mein Verhalten, ohne mich selbst zu kritisieren. Dadurch, dass ich inzwischen meine Triggerpunkte kenne und auch mich selbst gut kenne, kann ich besser mit Kritik oder Konfrontationen umgehen.
In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit. Aus meiner Sicht gibt es nicht schöneres als die Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Wie ich reagiere, liegt in meiner Verantwortung. Dafür bin ich selbst verantwortlich. Nicht für den anderen und sein Verhalten. Nach meiner über 10-jährigen Arbeit an mir, meinem Bewusstsein und meiner Kommunikation kann ich sagen, dass es sich lohnt. Nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Beziehungen beruflich und privat.
Ich spreche über die Kontrolle über sich selbst mit einer guten Absicht und Verständnis und nicht über Selbstoptimierung und Selbstausbeutung. Ich kann mich an ein Training zur Selbstverantwortung erinnern, bei dem ich das Gefühl hatte, man will mich anders haben und deswegen hatte man mich dorthin geschickt. Vielleicht war es auch so, das weiß ich nicht. Viel mehr würde helfen, die Selbstreflexion zu unterstützen und nicht Menschen verbiegen zu wollen, weil sie so anscheinend nicht in das System passen. Jeder der so etwas spürt, geht in die Abwehrhaltung. Also meiner Erfahrung nach ist es besser, selbst zu erkennen, wohin man sich weiterentwickeln will und andere zu fragen, welche Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten sie in einem sehen. Selbst über sich und die eigene Entwicklung bestimmen und nicht der Chefin diese wichtige Aufgabe überlassen.
Vielleicht geht es auch um Macht über sich selbst und somit raus aus der Ohnmacht. Ob Macht einen konstruktiven oder destruktiven Einfluss hat, hängt wesentlich davon ab, wie sie gemäß der Unterscheidung des Individualpsychologen Fritz Künkel eingesetzt wird. Wenn Macht “sachbezogen” genutzt wird, geschieht dies beispielsweise dann, wenn die Absicht dahinter die Förderung der Gemeinschaft ist, wenn sie zur Realisierung von Ideen dient, um Fortschritte zu erzielen oder um Werte zu schaffen und zu schützen. Im Gegensatz dazu ist der Einsatz von Macht “Ichhaft”, wenn sie dazu verwendet wird, andere zu unterdrücken, zu kontrollieren und fertig zu machen.
Ihr merkt es, wenn ich anfange zu schreiben, kommen mir unterschiedliche Ideen und Aspekte in den Sinn, die ich gerne mit euch teilen möchte. Mein Fazit: Wir sind nicht völlig unseren Gefühlen und Emotionen ausgeliefert, sondern können daran arbeiten und lernen, situativ zu agieren und zu kommunizieren. Dieser komplexe Prozess der Selbststeuerung umfasst mehrere Schlüsselkomponenten und Strategien, die ich in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gesichtspunkten immer wieder beleuchtet habe.
Zunächst ist es wichtig, ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln, indem man sich seiner eigenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen bewusst wird. Dies bildet die Grundlage für die Selbststeuerung. Auf dieser Grundlage können klare Pläne entwickelt werden, um diese Ziele zu erreichen.
„Der Mensch versucht, sich durch Religion und Luxus von der Leere und Bedeutungslosigkeit der Welt abzulenken.“ Mihaly Csikszentmihalyi. Sich auf die eigenen Ziele zu fokussieren und in den Flow zu kommen, ohne sich vom Unnötigen abzulenken, ist ein großer Teil der Selbststeuerung.
Die Fähigkeit, Impulse zu kontrollieren und Versuchungen zu widerstehen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Selbststeuerung. Hier denke ich an Deep Work. Cal Newport beschreibt “Deep Work” als berufliche Tätigkeiten, die in einem Zustand intensiver, ungeteilter Aufmerksamkeit ausgeführt werden und die geistigen Fähigkeiten bis an ihre Leistungsgrenze fordern. In einer Aufgabe aufzugehen und in den Flow zu kommen, gibt mir das Gefühl von Zufriedenheit und Produktivität. Wie ist es bei dir?
Emotionale Intelligenz spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle, da sie es ermöglicht, Emotionen zu erkennen, zu verstehen und angemessen damit umzugehen. Dies ist besonders wichtig, um in stressigen Situationen ruhig zu bleiben und impulsives Verhalten zu vermeiden. Angenommen, eine Person hat ein Treffen, bei dem sie auf Kritik stoßen könnte. Durch das Erkennen ihrer eigenen Ängste und Unsicherheiten kann sie sich besser darauf vorbereiten, gelassen zu bleiben und konstruktiv auf Kritik zu reagieren.
Embodiment kann ebenso helfen bei schwierigen Situationen körperlich vorbereitet zu sein. „Unter dem Begriff Embodiment verstehen wir die Perspektive, dass psychische und kognitive Prozesse immer in Bezug zum gesamten Körper gesehen und untersucht werden müssen. Diese Wechselwirkung hat zur Folge, dass unser psychisches System, unsere Stimmungen, Einstellungen und unsere Wahrnehmung ununterbrochen von unserem Körper beeinflusst werden.“ https://www.majastorch.de/wp-content/uploads/2020/04/Artikel-Saeule-2016-4_Embodiment-S6-12.pdf
Zeitmanagement ist ein weiterer Schlüssel zur Selbststeuerung. Die effektive Nutzung von Zeit und die Priorisierung von Aufgaben helfen dabei, Ablenkungen zu minimieren und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Ein Beispiel für Zeitmanagement ist, wenn jemand eine Liste mit Prioritäten erstellt und zuerst die dringendsten Aufgaben erledigt, anstatt sich von weniger wichtigen Aufgaben ablenken zu lassen.
Selbstmotivation ist entscheidend, um kontinuierlich an den festgelegten Zielen zu arbeiten. Die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und die Belohnungen zu erkennen, die mit der Erreichung dieser Ziele einhergehen, ist ein wichtiger Antrieb. Wenn jemand sich selbst dazu motiviert, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, indem er sich vor Augen hält, wie viel gesünder und energiegeladener er sich nach dem Training fühlt, ist das ein Beispiel für Selbstmotivation. Die Visualisierung hilft hier ebenso. Stell dir vor wie du z.B. schlank und gesund am Strand entlang gehst. Und das machst du so lange, bis es eintritt. Das, was wir uns vorstellen können, können wir auch erreichen.
Stressbewältigungstechniken, wie Meditation, Sport und Entspannungsübungen, können helfen, die Selbststeuerung aufrechtzuerhalten, da ein stressfreieres Leben die Fähigkeit zur Selbstkontrolle verbessert.
Zusätzlich zur individuellen Anstrengung kann die Unterstützung von Freunden, Familie oder Coaching einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Selbststeuerung leisten, indem sie Feedback und Anleitung bieten.
Die Entwicklung der Selbststeuerung ist ein lebenslanger Prozess, der kontinuierliche Aufmerksamkeit und Übung erfordert. Durch Selbstreflexion, Geduld und die Anwendung geeigneter Strategien kannst du deine Selbststeuerung stärken und dadurch in verschiedenen Lebensbereichen erfolgreicher sein.