Die erste Basisvariable von Rogers ist die unbedingte Wertschätzung vom Coach im Coachingsprozess.
Carl R. Rogers nennt es in seinem Buch ein „warmes Akzeptieren und schätzen des anderen als eigenständiges Individuum“ (Rogers, Carl R. Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta, 1973, 51). Diese Wertschätzung soll an keine Bedingung gebunden, wertfrei und urteilsfrei sein. Das bedeutet nicht, dass alle Handlungen gebilligt werden, erfordert aber, dass der Coach den Coachee, trotz seines Verhaltens, als Mensch akzeptiert, wertschätzt und ihn ohne Wertung und Vorurteile annimmt, so wie er in diesem Moment ist. Die emotionale Wärme, die der Coach dem Coachee entgegenbringt, ist nur dann echt, wenn sie von innen kommt und vom Coach gelebt wird.
Die bescheidene und „lethologische“ (Foerster, H. von u.M. Bröcker. Teil der Welt – Fraktale einer Ethik. Heidelberg: Carl-Auer, 2002, 305), also bewusst nichtwissende, Haltung des Coaches führt dazu, dass der Coachee Selbstverantwortung und Eigeninitiative übernimmt. Er spürt dadurch, dass nur er selbst am besten weiß, was gut und schlecht für ihn ist und nur er selbst der Experte, sowohl für das eigene System als auch für alle anderen Systeme, die ihn umgeben, ist. Durch das Bewusstwerden der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt der Coachee für sich selbst Ideen und Lösungen, die für ihn am besten zu seinem Anliegen und dem ausformulierten Ziel passen und somit aus eigener Kraft lösbar sind.
Ratschläge sind in dieser Haltung, wie bereits erwähnt, kontraproduktiv, denn sie stammen aus dem eigenen System, geschaffen von der Wirklichkeitskonstruktion des Coaches. Die akzeptierende Grundhaltung fordert ein großes Maß an Vertrauen in die Möglichkeiten des Anderen und setzt eine hohe Reflexionsfähigkeit vom Coach voraus.
Dr. Christian Bernreiter, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) in seinem Buch „Worauf es ankommt“ sagt dazu:
„Die disziplinierte Zurückhaltung der eigenen ‘Sicht’, gibt dem Gesprächspartner Mut, eine eigene und von innen her getragene Sichtweise und Lösung zu formulieren und zu kreieren. An dieser Stelle fängt das Zutrauen an zu wirken. In dieser Phase eines Gesprächs entwickelt und entfaltet sich der Lösungsraum. An dieser Stelle kann Leben gelingen und eine Lösung freiwerden, die schon immer da war, die aber Zeit, Geduld und Zutrauen brauchte –und jetzt bereit ist sich zu zeigen.“ (Dr. Christian Bernreiter, Franz Lummer. Worauf es ankommt. Paderborn: Bonifatius, 2018., 50).
Diese Grundhaltung wirkt auf den Coachee angstmindernd und bestärkt ihn dabei, an sich selbst zu glauben. „Zur Bildung eines guten Selbstwertgefühls braucht es eine wertschätzende Umgebung, die einem etwas zutraut, unterstützt.“ (Grawe 2021).
Die Beziehung „ich bin ok – du bist ok“, also den Coachee auf Augenhöhe zu begegnen, hilft auch dabei, dass sich der Coachee selbst besser versteht und eine eigene Lösung findet, unabhängig davon, was der Coach erwarten könnte.
Wenn der Coachee nur unter bestimmten Bedingungen wertgeschätzt wird, kann er keinen Zugang zu sich finden. Wenn der Coach ihn bedingungslos annimmt so wie er ist, fallen all seine Masken. Der Coachee kann er selbst sein und braucht keine Mauer zur Verteidigung. Er beginnt dadurch, Dinge zu erzählen, von denen er vorher nicht wusste, dass sie in ihm stecken. Der Coach ist kein Richter und kein Schönredner, er begegnet dem Coachee mit Akzeptanz und gibt ihm das, was er sieht, zurück. Ohne zu werten, sanft und leicht zurückweisend.
Fragen zur Selbstreflexion: